Warum machen wir dieses Projekt?
Das Projekt wurde in erster Linie als Antwort auf die Grenzen gegenwärtiger Kriminalstatistiken in Bezug auf Femi(ni)zid-Fälle konzipiert. Die Tatsache, dass bestimmte Tötungsarten Frauen* und Mädchen* unverhältnismäßig häufig betreffen, erfordert disaggregierte Daten, die eine tiefere Analyse von Kontexten und Mustern ermöglichen.
Unser Interesse wurde insbesondere durch ein Statement der Bundesregierung zur UNODC-Erklärung 2014 verstärkt. Bezüglich der Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von geschlechtsspezifischen Tötungen von Frauen* und Mädchen* befand diese: „Femizid (verstanden als die Tötung von Frauen allein aufgrund ihres Geschlechts, auf die der Staat wenig oder gar nicht reagiert) ist kein Phänomen, das in Deutschland zu finden ist.“
Wir stellten fest, dass dieses Phänomen auf staatlicher Ebene nicht anerkannt wird und dass folglich nur wenige Daten über diese Verbrechen und keine genauen Informationen über die Anzahl und die Merkmale derselben vorliegen. Letztlich machen wir dieses Projekt, weil wir ein genaueres Bild dieses Phänomens in Deutschland haben wollen. Wir möchten gesellschaftlichen Akteur:innen wie der Zivilgesellschaft, Wissenschaftler:innen und Politiker:innen nützliche Informationen an die Hand geben, um Strategien zur Bekämpfung dieses Phänomens zu entwickeln.
Wie machen wir das?
Wir haben den Aufbau der Datenbank auf ehrenamtlicher Basis gestartet, wobei dieses Projekt auf langfristige Entwicklung ausgelegt ist. Gegenwärtig sammeln wir Informationen aus Medienberichten. Unser Arbeitsplan sieht jedoch vor, unsere Informationsquellen auf Polizeiberichte und Rechtsfälle auszuweiten. Wir arbeiten mit GoogleAlerts und vergleichen Daten mit denen auf Webseiten anderer Initiativen und Organisationen, die Informationen über diese Art von Straftaten sammeln. Wenn diese Fälle dokumentierten, die nicht in unserer Datenbank auftauchen, suchen wir nach weiteren Informationen, um zu entscheiden, ob der Fall zu unserer Arbeitsdefinition passt. Darüber hinaus erhalten wir Informationen über feministische Netzwerke, mit denen wir in Verbindung stehen.
Unsere Datenbank enthält etwa 50 Informationsfelder, darunter Einzelheiten über das Opfer, den Tatort und den/die Täter*innen. Aufgrund der deutschen Datenschutzregelungen und der lückenhaften Berichterstattung über die Fälle, ist es oft schwierig, relevante Informationen zu erhalten. Da wir zwischen verschiedenen Arten von Femi(ni)ziden und Mord/Totschlag unterscheiden, beziehen wir auch Fälle mit ein, die entweder aufgrund fehlender Informationen oder aufgrund der Umstände der Straftat nicht eindeutig als Femi(ni)zide identifizierbar sind.
Unser Ziel ist es, geographische Bezüge zu den Verbrechen herzustellen, Daten zu sammeln und zu systematisieren, um Berichte zu erstellen und Analysen auf der Grundlage dieser durchzuführen. Wir hoffen, dass dieses Projekt für Personen, die sich mit Gewalt gegen Frauen* und Mädchen* befassen, von Nutzen sein wird.
Wie würden wir unseren Ansatz beschreiben?
Bevor wir dieses Projekt 2018 starteten, haben wir eine Kartierung der Datenbanken zu Femi(ni)ziden in Deutschland durchgeführt, wobei wir nur ein Projekt fanden. Wir sind uns der rasanten Entwicklungen in diesem Bereich in den letzten Jahren bewusst, vertreten allerdings die Meinung, dass unser Ansatz trotzdem gebraucht wird. Zunächst arbeiten wir mit einem Konzept, das der Komplexität des Phänomens Femi(ni)zid gerecht wird. Das bedeutet, dass wir mit einer breiten und übergreifenden Definition arbeiten: Wir dokumentieren nicht nur intime Femi(ni)zide, sondern auch andere Formen wie rassistische Femi(ni)zide, Femi(ni)zide an Sexarbeiter:innen, nicht intime Femi(ni)zide, familiäre Femi(ni)zide, Femi(ni)zide an Kindern, lesbofeindliche Femi(ni)zide, Femi(ni)zide als Beistehende, und transfeindliche Femi(ni)zide.
Zweitens erkennen wir die von Wissenschaftler:innen, Politiker:innen und Aktivist:innen aus dem Globalen Süden geleistete Arbeit zu Femi(ni)ziden an und nehmen sie ernst. Dabei geht es nicht darum, die Arbeit aus anderen Kontexten schlicht zu kopieren, sondern sie in den deutschen Kontext zu übersetzen.
Drittens distanzieren wir uns von Versuchen, Gewalt gegen Frauen* und Mädchen* für rassistische Politik und moralische Panikmache zu instrumentalisieren. Viertens wollen wir die Beteiligung der Zivilgesellschaft am Dokumentationsprozess fördern. Und schließlich sind wir uns der Entstehung neuer ähnlicher Projekte bewusst, weshalb wir unsere Kräfte bündeln und die Zusammenarbeit mit anderen Projekten ausbauen möchten, um so den Kampf gegen diese Verbrechen zu stärken.